Annika Hansen über ihren Wandel und die Probleme im Pferdesport

Zusammengefasst von Anja Schirwinski
Seit meine Hündin Frida mit fünf Monaten aus einem rumänischen Shelter zu mir kam, beschäftige ich mich intensiv mit Hundethemen - von Alltagstraining bis Verhaltensbesonderheiten. Viele der Fragen, die in Podcasts besprochen werden, kenne ich aus unserer gemeinsamen Erfahrung nur zu gut. Deshalb fasse ich hier die für mich interessantesten Podcastfolgen zusammen und ergänze sie mit meinen eigenen Erlebnissen mit Frida. 
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In dieser Episode von „Tierisch Menschlich“ sprechen der Hunde-Profi Martin Rütter und die Wissenschaftsjournalistin Katharina Adick mit der Moderatorin, Autorin und Pferdefreundin Annika Hansen. Im Zentrum des Gesprächs steht ihre aufsehenerregende Entscheidung, die Moderation des renommierten Reitturniers CHIO Aachen niederzulegen. Annika Hansen gibt tiefgehende Einblicke in ihren persönlichen Transformationsprozess - von einer ehrgeizigen Sportreiterin und Verteidigerin des Systems zu einer kritischen Stimme, die sich für einen pferdegerechteren Umgang einsetzt.

Die Episode beleuchtet die systemischen Probleme im professionellen Pferdesport wie Leistungsdruck, finanzielle Interessen und das menschliche Ego. Sie ist eine wertvolle Ressource für alle Pferdemenschen, Tierfreunde und jene, die sich für die Ethik im Sport und die Kraft persönlicher Weiterentwicklung interessieren. Die zentrale Frage lautet: Wie können wir eine echte Partnerschaft mit Tieren leben, wenn etablierte Systeme oft das Gegenteil fördern?

Das Wichtigste auf einen Blick

  • Rückzug als Statement: Annika Hansens Entscheidung, den CHIO nicht mehr zu moderieren, ist ein bewusster Protest gegen ein System, das ihrer Meinung nach zu oft Geld, Erfolg und menschliches Ego über das Wohl der Pferde stellt.
  • Die Macht der Beobachtung: Ihr Umdenken begann, als sie ihre Pferde auf den eigenen Hof holte und sie 24/7 beobachten konnte. Dies führte dazu, dass sie etablierte, aber pferdeunfreundliche Praktiken wie stundenlange Boxenhaltung radikal infrage stellte.
  • Die „Bubble“ des Sports: Hansen beschreibt, wie die Pferdesport-Szene oft Kritik von außen als „Hass“ abtut. Sie gibt zu, früher selbst Berichte (wie die von Katharina Adick für „Quarks“) als Schutzmechanismus ignoriert zu haben, um das eigene Handeln nicht hinterfragen zu müssen.
  • Falsch verstandene Ästhetik: Viele als „imposant“ oder „ausdrucksstark“ empfundene Bewegungen im Dressursport sind laut Hansen in Wahrheit Anzeichen für extremen Stress. Das Pferd befindet sich dabei permanent in einem Fluchtmodus (Sympathikus-Aktivierung), was physisch und psychisch schädlich ist.
  • Der Blick von außen: Ein entscheidender Impuls für ihren Wandel kam von ihrem Freund, einem Außenstehenden, der sie fragte: „Warum machst du das eigentlich? Du musst das doch gar nicht.“ Diese simple Frage half ihr, ihre festgefahrene Identität als Sportreiterin aufzubrechen.
  • Partnerschaft statt Nutzung: Der Kern ihrer neuen Philosophie ist, das Pferd nicht mehr als Sportgerät zu sehen, sondern als Partner. Das bedeutet, die eigenen Ambitionen zurückzustellen und sich zu fragen: „Was hat mein Pferd davon?“
  • Ehrlichkeit mit sich selbst: Der Prozess der Veränderung erfordert radikale Ehrlichkeit bezüglich der eigenen Motive, insbesondere des eigenen Egos. Es ist eine Reise, die schmerzhaft sein kann, aber zu einer authentischeren und harmonischeren Beziehung mit dem Tier führt.

Annika Hansens Zäsur: Der Rückzug vom CHIO Aachen

Annika Hansen war jahrelang das bekannte Gesicht des CHIO Aachen, dem „Weltfest des Pferdesports“. Ihre öffentliche Entscheidung, diese Rolle aufzugeben, begründet sie mit einer tiefen persönlichen und ethischen Entwicklung. Sie erklärt, dass sie nicht mehr das Gesicht einer „Party“ sein könne, unter der die Pferde leiden. Martin Rütter, der sie seit vielen Jahren kennt, beschreibt sie als eine Person, die stets „Vollgas“ gegeben habe - ehrgeizig, kompromisslos und zielstrebig. Genau diese Geradlinigkeit habe sie nun aber dazu bewogen, konsequent zu ihren neuen Werten zu stehen, auch wenn dieser Schritt mit Unsicherheiten und Kritik verbunden war. Die Entscheidung reifte über zwei Jahre und war das schlüssige Ergebnis ihrer intensiven Auseinandersetzung mit dem Wohl ihrer eigenen Pferde.

Die „Bubble“ des Pferdesports: Systemische Probleme und Abwehrmechanismen

Im Gespräch wird deutlich, dass der professionelle Pferdesport ein systemisches Problem hat. Laut Annika Hansen drehen sich die Räder der großen Verbände (wie FN und FEI) extrem langsam, während es um immense Geldsummen, Erfolg und das Ego der Menschen geht. Katharina Adick ergänzt, dass ihre journalistische Arbeit für „Quarks“, die tierschutzrelevante Trainingsmethoden und deutliches Abwehrverhalten der Pferde aufdeckte, von der Szene oft kleingeredet oder sogar kriminalisiert wurde. Hansen bestätigt diesen Abwehrmechanismus aus eigener Erfahrung: Sie gesteht, solche kritischen Berichte früher selbst ignoriert zu haben. Sie erklärt, dass das genaue Hinschauen schmerzhaft ist, da es Konsequenzen erfordert und die eigene Identität bedroht. In dieser „Bubble“ werden Praktiken, die von außen als problematisch wahrgenommen werden, oft mit Argumenten wie „Das war schon immer so“ oder „Sport ist eben hart“ entschuldigt.

Der Weg der Erkenntnis: Ein persönlicher Transformationsprozess

Annika Hansens Wandel wurde maßgeblich durch den Umzug auf ihren eigenen Hof ausgelöst. Als sie ihre Pferde nicht mehr nur für wenige Stunden am Tag sah, sondern rund um die Uhr, begann sie, fundamentale Haltungsbedingungen zu hinterfragen. Sie erzählt, wie sie schrittweise die Zeit ihrer Pferde außerhalb der Box verlängerte, bis diese schließlich 24/7 draußen leben konnten - und dabei gesünder und glücklicher waren als je zuvor in einem Sportstall. Dieser Prozess des Beobachtens und Hinterfragens führte zu einer umfassenden Veränderung ihrer Trainingsmethoden. Sie arbeitete mit neuen Trainern, legte ihre sportlichen Ambitionen nieder und ritt ihr Pferd über Monate gar nicht, um es gesund und pferdegerecht neu aufzubauen. Dieser Weg war nicht nur eine fachliche, sondern vor allem eine emotionale Reise zurück zu der ursprünglichen Liebe zum Pferd, die sie als Kind empfunden hatte.

Ein neuer Blick auf das Pferd: Stress-Signale und pferdegerechtes Training

Ein zentraler Punkt der Diskussion ist das Phänomen der „Shifting Baselines“: Die Wahrnehmung dessen, was als normales Pferdeverhalten gilt, hat sich verschoben. Hansen erklärt, dass viele Reiter einen angespannten Zustand des Pferdes - den Fluchtmodus, bei dem das sympathische Nervensystem aktiv ist - als attraktiv, energiegeladen und positiv empfinden. Ein Pferd mit gewölbtem Hals und großen Augen sehe zwar imposant aus, befinde sich aber in einer eskalativen Stresssituation. Die eigentliche Kunst sei es, das Pferd in einen entspannten, parasympathischen Zustand zu bringen, in dem es den Reiter gesund tragen kann. Für diesen neuen Ansatz, bei dem ihr Pferd zunächst „weniger spektakulär“ aussah, erntete sie viel Kritik. Heute ist ihr Ziel, eine harmonische Partnerschaft zu leben, bei der das Training auf biomechanischen Grundlagen und dem Wohlbefinden des Tieres basiert, statt auf der Erfüllung sportlicher Normen.

Praktische Schritte für einen pferdegerechteren Umgang

  1. Zeit ohne Erwartungen verbringen: Geh zu deinem Pferd und wolle für 30 Minuten einfach mal nichts von ihm. Sei nur präsent und beobachte, was passiert. Dies stärkt die Bindung und verändert die Dynamik eurer Beziehung.
  2. Routinen kritisch hinterfragen: Frage dich, warum du Dinge tust, wie du sie tust. Ist die stundenlange Boxenhaltung wirklich notwendig? Dient das verwendete Gebiss dem Wohl des Pferdes oder nur der Kontrolle?
  3. Die Körpersprache des Pferdes lernen: Bilde dich weiter, um die feinen Signale deines Pferdes zu verstehen. Lerne, zwischen einem entspannten Zustand und Anzeichen von Stress oder Schmerz zu unterscheiden.
  4. Die Perspektive des Pferdes einnehmen: Stelle dir bei jeder Handlung die Frage: „Was hat mein Pferd davon?“ Ist das Training wirklich eine Bereicherung für das Tier oder dient es nur deinem eigenen Ego und Ehrgeiz?
  5. Feedback von Außenstehenden einholen: Sprich mit Menschen, die nicht aus der „Pferde-Bubble“ kommen. Kinder oder fachfremde Partner haben oft einen unvoreingenommenen Blick und stellen die richtigen Fragen.
  6. Sich selbst ehrlich reflektieren: Sei ehrlich mit dir selbst über deine Motive. Akzeptiere, dass Ego und der Wunsch nach Anerkennung eine Rolle spielen können, und arbeite aktiv daran, diese dem Wohl des Pferdes unterzuordnen.

🔗 Zugehörige Folge(n)

Diese Zusammenfassung wurde mit Hilfe von KI aus dem Transkript der Podcast-Episode generiert.

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