Zusammengefasst von Anja Schirwinski
Seit meine Hündin Frida mit fünf Monaten aus einem rumänischen Shelter zu mir kam, beschäftige ich mich intensiv mit Hundethemen - von Alltagstraining bis Verhaltensbesonderheiten. Viele der Fragen, die in Podcasts besprochen werden, kenne ich aus unserer gemeinsamen Erfahrung nur zu gut. Deshalb fasse ich hier die für mich interessantesten Podcastfolgen zusammen und ergänze sie mit meinen eigenen Erlebnissen mit Frida.
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In dieser Episode des Podcasts "The Petfood Family" spricht Host Jan Dießner mit Dana Thimel, einer Hundetrainerin, Buchautorin und Erfinderin der Hundesportart "Curving". Das Gespräch dreht sich vordergründig um diesen einzigartigen Sport, taucht aber schnell in tiefere Themen ein: Was bedeutet es wirklich, einen Hund wohlwollend zu führen? Wie prägen unsere eigenen Erwartungen, Unsicherheiten und Fehler die Beziehung zu unserem Tier? Und wie können wir durch ehrliche Selbstreflexion zu einem besseren Team zusammenwachsen?
Die Episode ist eine wertvolle Ressource für alle Hundehalter:innen, die über das reine Funktionieren hinaus eine echte, auf Verständnis und Verantwortung basierende Verbindung zu ihrem Hund aufbauen möchten. Sie behandelt die zentrale Frage, wie persönliche Weiterentwicklung des Menschen der Schlüssel zu einem harmonischeren Zusammenleben mit dem Hund ist.
Das Wichtigste auf einen Blick
- Curving als Spiegel der Beziehung: Die von Dana Thimel entwickelte Hundesportart Curving legt den Fokus nicht auf Geschwindigkeit, sondern auf Präzision, Distanzarbeit und Teamgefühl. Sie dient als praktisches Beispiel dafür, wie Kommunikation und Kooperation die Grundlage für jede gemeinsame Aktivität bilden.
- Führung bedeutet Verantwortung, nicht Macht: Dana definiert "wohlwollendes Führen" als die Fähigkeit, Verantwortung zu übernehmen, die Bedürfnisse des Hundes zu erkennen und Entscheidungen zum Wohl der Gruppe zu treffen. Es geht um freiwilliges Folgen, nicht um Unterdrückung.
- Frustrationstoleranz richtig trainieren: Echtes Training der Frustrationstoleranz bedeutet, dem Hund beizubringen, eine Erwartungshaltung komplett loszulassen. Dies führt laut Dana langfristig dazu, dass Frust gar nicht erst in dem Maße aufkommt, was die Lebensqualität des Hundes enorm steigert.
- Ehrlichkeit über das Scheitern: Sowohl Dana als auch Jan sprechen offen über eigene Fehler und Momente der Hilflosigkeit in ihrer Vergangenheit als Hundetrainer. Sie betonen, wie wichtig es ist, diesen Druck zur Perfektion abzulegen und Fehler als Chance zur Weiterentwicklung zu sehen.
- Online- vs. Praxistraining: Online-Kurse sind ideal, um Grundlagenwissen (z. B. Ausdrucksverhalten) zu vermitteln und kleinschrittige Anleitungen zu geben. Sie können jedoch nie das individuelle Feedback und die situative Anpassung eines Trainers vor Ort ersetzen, insbesondere bei komplexen Beziehungs- oder Verhaltensthemen.
- Der Mensch als Ausgangspunkt: Die zentrale Botschaft der Episode ist, dass die Arbeit am Hund immer bei sich selbst beginnt. Die eigenen Erwartungen, Emotionen und Kompetenzen zu reflektieren, ist der Schlüssel zu einer gesunden Mensch-Hund-Beziehung.
Curving: Mehr als nur ein Hundesport
Dana erklärt den Ursprung von Curving als eine spontane Idee, um ihre eigenen Hunde in den Pausen zwischen den Trainingsstunden sinnvoll zu beschäftigen. Benötigt werden lediglich vier Stangen, die ein Rechteck bilden. Der Mensch agiert aus einer zentralen "Führzone", während der Hund auf Distanz um die Stangen geschickt wird. Ergänzt wird dies durch Tricks in der Führzone sowie weitere Elemente wie einen Tunnel und Hürden im äußeren Bereich.
Das Besondere an Curving ist laut Dana die Philosophie dahinter. Es geht nicht um "schneller, höher, weiter". Stattdessen werden Präzision, ein flüssiger Ablauf und die Zusammenarbeit des Teams bewertet. Eine hohe Geschwindigkeit ist erlaubt, solange der Hund konzentriert und ansprechbar bleibt. Laute Kommandos des Menschen oder unkontrolliertes Bellen des Hundes führen zu Punktabzügen. Diese Ausrichtung macht den Sport für alle Rassen, Altersklassen und Fitnesslevel zugänglich - auch für ältere Hunde, die körperlich nicht mehr voll belastbar sind.
Die Philosophie des Führens und der Frustrationstoleranz
Ein Kernthema des Gesprächs ist Danas Verständnis von Führung und Erziehung. Sie unterscheidet klar zwischen Beziehung und Bindung. Während eine Beziehung zu jedem Lebewesen schnell entsteht, zeigt sich eine echte Bindung vor allem in Momenten der Unsicherheit, wenn der Hund Schutz und Unterstützung bei seinem Menschen sucht.
Ihren Führungsansatz beschreibt sie als "wohlwollendes Führen". Dies distanziert sie bewusst von Konzepten, die auf Macht und Dominanz basieren. Für sie bedeutet Führen, die Bedürfnisse des Hundes zu verstehen, Verantwortung für seine Sicherheit zu übernehmen und Kompetenzen wie Selbstregulation und Abgrenzungsfähigkeit zu besitzen. Ziel ist es, dass der Hund freiwillig folgt, weil er seinem Menschen vertraut.
Ein weiterer wichtiger Punkt ist die Frustrationstoleranz. Dana grenzt diese klar vom reinen "Belohnungsaufschub" ab. Während letzterer bedeutet, kurz auf eine Belohnung zu warten, geht es bei der Frustrationstoleranz darum, zu lernen, eine Erwartungshaltung vollständig aufzugeben (z. B. den Futternapf stehen zu lassen, bis der Hund sich entspannt hat). Ein Hund, der dies gelernt hat, empfindet laut Dana in ähnlichen Situationen künftig weniger oder gar keinen Frust mehr.
Der Weg zur Hundetrainerin: Persönliche Entwicklung und Ehrlichkeit
Dana teilt sehr offen ihre persönliche Reise. Ihre Leidenschaft für Hunde begann bereits in der Kindheit und führte dazu, dass sie mit 18 Jahren anfing, als Hundetrainerin zu arbeiten. Ein Wendepunkt war die Beziehung zu ihrer belgischen Schäferhündin Ava. Dana gibt zu, anfangs aus Hilflosigkeit und dem Druck, als Trainerin einen "perfekten" Hund haben zu müssen, falsch gehandelt und zu sehr über Macht agiert zu haben. Ihre Hündin Ava spiegelte ihr dieses Verhalten jedoch konsequent, was Dana zwang, sich selbst und ihre Methoden radikal zu hinterfragen.
Dieser schmerzhafte Prozess der Selbstreflexion führte zu ihrer heutigen Philosophie, die den Fokus stark auf den Menschen legt. Jan Dießner bestätigt diese Erfahrung und betont, wie wichtig es ist, als Trainer:in und Halter:in ehrlich über solche Fehler zu sprechen. Dies nehme den Druck von anderen Hundehalter:innen, immer alles richtig machen zu müssen, und zeige, dass eine gute Beziehung auch schwierige Phasen überstehen und daran wachsen kann.
Online-Training vs. Training vor Ort: Die richtige Balance finden
Durch ihre Arbeit bei der "Dog University" hat Dana den Wandel vom reinen Praxistraining auf dem Hundeplatz zum Online-Coaching miterlebt. Sie sieht in beiden Formaten Vor- und Nachteile. Online-Kurse ermöglichen es, Wissen strukturiert und kleinschrittig an eine große Zielgruppe zu vermitteln. Besonders für die Wissensvermittlung, etwa zum Ausdrucksverhalten von Hunden, seien Videoformate unschlagbar, da man Szenen in Zeitlupe wiederholen und analysieren kann.
Die Grenzen des Online-Formats liegen für sie jedoch in der fehlenden Individualität und dem direkten Feedback. Eine Beziehung ist einzigartig, und ein Online-Kurs kann die spezifischen Dynamiken eines Mensch-Hund-Teams nicht erfassen. Dana betont daher, dass Online-Angebote eine hervorragende Ergänzung, aber kein Ersatz für eine gute Hundeschule vor Ort sind. Sobald man an seine Grenzen stößt, sei die Begleitung durch eine:n qualifizierte:n Trainer:in unerlässlich.
Praktische Schritte zur Selbstreflexion als Hundehalter
- Eigene Erwartungen hinterfragen: Frage dich ehrlich, was du von deinem Hund erwartest. Passen diese Erwartungen zu seiner Rasse, seinem Charakter und den realen Gegebenheiten eures Alltags?
- Reaktionen unter Druck analysieren: Beobachte dich selbst in stressigen Situationen. Wirst du lauter, ungeduldiger oder beginnst du, am Hund zu "manipulieren", weil du dich hilflos fühlst?
- Verantwortung übernehmen: Anstatt nur auf das Verhalten des Hundes zu schauen, konzentriere dich darauf, was du als Führungsperson tun kannst, um Sicherheit und Klarheit zu vermitteln.
- Fehler als Lernchance annehmen: Akzeptiere, dass du nicht perfekt bist. Wenn du merkst, dass dein Ansatz nicht funktioniert oder unfair war, sei bereit, dich zu ändern. Ein Hund nimmt eine positive Veränderung laut Dana dankbar an.
- Wissen aneignen und Hilfe suchen: Nutze hochwertige Online-Ressourcen, um dein Grundwissen zu erweitern, aber zögere nicht, eine:n Trainer:in vor Ort aufzusuchen, der oder die individuell auf dich und deinen Hund eingehen kann.