Zusammengefasst von Anja Schirwinski
Seit meine Hündin Frida mit fünf Monaten aus einem rumänischen Shelter zu mir kam, beschäftige ich mich intensiv mit Hundethemen - von Alltagstraining bis Verhaltensbesonderheiten. Viele der Fragen, die in Podcasts besprochen werden, kenne ich aus unserer gemeinsamen Erfahrung nur zu gut. Deshalb fasse ich hier die für mich interessantesten Podcastfolgen zusammen und ergänze sie mit meinen eigenen Erlebnissen mit Frida.
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In der neunten Folge des Podcasts napfcheck spricht die Fachtierärztin für Tierernährung, Dr. Julia Fritz, mit der Fachjournalistin Manuela Bauer über das vieldiskutierte Thema Futtermittelallergien. Die Episode beleuchtet die Unterschiede zwischen Allergien und Unverträglichkeiten, typische Symptome, Mythen rund um die Fütterung und den wissenschaftlich fundierten Weg zur korrekten Diagnose.
Diese Zusammenfassung richtet sich an alle Tierhalter:innen, die den Verdacht haben, ihr Hund oder ihre Katze könnte an einer Futtermittelallergie leiden. Sie bietet eine klare Orientierung, um Symptome richtig einzuordnen und die oft komplexen diagnostischen Schritte nachzuvollziehen.
Das Wichtigste auf einen Blick
- Allergie vs. Unverträglichkeit: Dr. Fritz erklärt, dass eine echte Allergie immer eine Reaktion des Immunsystems ist. Eine Unverträglichkeit hingegen findet ohne Beteiligung des Immunsystems statt (z. B. bei schwer verdaulichen Kauartikeln).
- Echte Futtermittelallergien sind selten: Obwohl der Verdacht häufig geäußert wird, leidet laut Studien nur etwa 1 % aller Hunde und Katzen an einer echten Futtermittelallergie.
- Diagnose durch Ausschluss: Eine Futtermittelallergie ist eine Ausschlussdiagnose. Bevor man das Futter in Verdacht zieht, müssen laut Dr. Fritz einfachere Ursachen wie Parasiten (Würmer, Flöhe), Infektionen oder Stress tierärztlich abgeklärt werden.
- Symptome sind nicht eindeutig: Die häufigsten Anzeichen sind Juckreiz und Magen-Darm-Probleme (Durchfall, Erbrechen). Da diese Symptome viele Ursachen haben können, sind sie allein kein Beweis für eine Allergie. Eine Allergie besteht zudem rund um die Uhr - saisonale oder nur gelegentliche Probleme deuten auf andere Auslöser hin.
- Allergietests sind nur bedingt aussagekräftig: Dr. Fritz warnt davor, sich auf positive Ergebnisse von Blut- oder Hauttests zu verlassen. Diese zeigen oft nur einen früheren Kontakt mit einem Stoff an, nicht aber eine Allergie. Aussagekräftiger sind negative Ergebnisse, die helfen können, geeignete Zutaten für eine Diät zu finden.
- Der Goldstandard ist die Eliminationsdiät: Die einzig verlässliche Methode zur Diagnose ist laut Dr. Fritz eine konsequente Ausschlussdiät über 8 bis 12 Wochen. In dieser Zeit erhält das Tier ausschließlich eine Protein- und eine Kohlenhydratquelle, die es zuvor noch nie gefressen hat.
- Ursache ist oft eine geschädigte Darmbarriere: Eine Vorschädigung des Darms, beispielsweise durch eine schwere Giardien-Infektion, kann die Darmwand durchlässiger machen ("Leaky Gut"). Dadurch können Nahrungsbestandteile ins Blut gelangen und eine Immunreaktion auslösen, was die Entstehung einer Allergie begünstigt.
Allergie vs. Unverträglichkeit: Eine wichtige Unterscheidung
Zu Beginn stellt Dr. Julia Fritz den fundamentalen Unterschied zwischen einer Allergie und einer Unverträglichkeit klar. Den entscheidenden Faktor bildet laut ihr das Immunsystem: „Eine Allergie ist unter Beteiligung des Immunsystems, also es gibt eine Immunantwort auf etwas Auslösendes, während eine Unverträglichkeit nichts mit dem Immunsystem zu tun hat.“
Während eine allergische Reaktion auf ein bestimmtes Protein (z. B. aus Hühnerfleisch) immer und konsequent auftritt, unabhängig von der Zubereitungsart, kann eine Unverträglichkeit unspezifische Ursachen haben. Als Beispiel nennt Dr. Fritz einen Hund, der zwar Schweinefleisch verträgt, aber vom Fleischsaft desselben Fleisches Durchfall bekommt. Dies deute eher auf eine Unverträglichkeit hin, da ein Allergiker auf beides reagieren würde. Weitere Beispiele für Unverträglichkeiten sind Reaktionen auf schwer verdauliche Kauartikel aus Bindegewebe oder zu häufige Futterwechsel, die den Darm belasten.
Symptome erkennen und richtig einordnen
Die typischen Symptome einer Futtermittelallergie sind laut Dr. Fritz Juckreiz sowie Magen-Darm-Beschwerden wie Erbrechen und Durchfall. Diese können einzeln oder kombiniert auftreten. Entscheidend für die Einordnung ist die Regelmäßigkeit: Eine Allergie ist 24 Stunden am Tag da, sieben Tage die Woche. Tritt Juckreiz nur saisonal auf, sind eher Umweltallergene (Atopie), Grasmilben oder Pollen die Ursache. Tritt Durchfall nur sporadisch auf, steckt wahrscheinlich keine Allergie dahinter.
Dr. Fritz betont, dass eine Futtermittelallergie immer eine Ausschlussdiagnose sei. Bevor man das Futter verdächtigt, müssen andere, oft viel wahrscheinlichere Ursachen abgeklärt werden:
- Parasiten: Flöhe (Flohspeichelallergie), Würmer oder Giardien sind häufige Auslöser für Juckreiz und Verdauungsprobleme. Eine negative Kotprobe ist dabei nicht immer verlässlich, weshalb bei begründetem Verdacht eine strategische Entwurmung sinnvoll sein kann.
- Stress: Insbesondere bei Hunden aus dem Tierschutz kann chronischer Stress zu Magen-Darm-Problemen führen.
- Fütterungsfehler: Zu häufige Futterwechsel oder die tägliche Gabe schwer verdaulicher Kauartikel können den Verdauungstrakt überlasten.
Die Tücken der Diagnostik: Warum Tests oft irreführen
Dr. Fritz rät zur Vorsicht bei kommerziell angebotenen Allergietests. Der erste Schritt sollte immer eine gründliche Untersuchung durch den Haustierarzt oder einen spezialisierten Dermatologen sein.
- Bluttests: Diese messen Antikörper gegen verschiedene Futterbestandteile. Laut Dr. Fritz haben positive Ergebnisse jedoch keine Aussagekraft, da sie lediglich einen früheren Kontakt des Immunsystems mit der Substanz anzeigen. Ein Hund kann Antikörper gegen Rindfleisch haben, ohne allergisch darauf zu sein. Nützlich sind hingegen die negativen Ergebnisse: Was im Test nicht anschlägt, wird vom Tier mit etwa 80-prozentiger Sicherheit vertragen und eignet sich daher für eine Ausschlussdiät.
- Hauttests (Patch-Tests): Hier werden Allergene direkt auf die rasierte Haut aufgetragen. Auch hier sind positive Reaktionen unzuverlässig. Negative Ergebnisse sind jedoch zu 99 % sicher. Der Test ist aufwendig und eignet sich laut Dr. Fritz eher für größere Hunde.
Die verlässlichste diagnostische Methode ist und bleibt die Eliminationsdiät.
Ursachen und Mythen: Wie Futtermittelallergien wirklich entstehen
Eine Allergie entsteht nicht aus dem Nichts. Es bedarf einer sogenannten Sensibilisierungsphase, in der das Immunsystem lernt, auf einen eigentlich harmlosen Stoff (meist ein Protein) überzureagieren. Dr. Fritz erklärt, dass eine geschädigte Darmbarriere dabei eine zentrale Rolle spielt. Erkrankungen wie eine Giardiose oder eine schwere Virusinfektion (z. B. Parvovirose) können die Darmschleimhaut schädigen und „durchlässig“ machen. Dadurch können unvollständig verdaute Proteine in den Körper gelangen und das Immunsystem alarmieren.
Dr. Fritz räumt auch mit verbreiteten Mythen auf:
- Mythos „Allergenes Futter“: Es gibt keine Futtermittel, die per se allergieauslösender sind als andere. Dass Rind, Huhn und Weizen die häufigsten Allergene sind, liegt laut Dr. Fritz schlicht daran, dass sie die am häufigsten verwendeten Zutaten in Tierfutter sind. Jedes Protein, mit dem das Tier Kontakt hatte, kann theoretisch zum Allergen werden.
- Mythos „Abwechslung schützt“: Ständige Wechsel der Fleischsorte schützen nicht vor Allergien, sondern können den Darm eher belasten. Für eine mögliche spätere Ausschlussdiät ist es sogar ratsam, bewusst einige exotische Protein- und Kohlenhydratquellen (z. B. Pferd, Strauß, Quinoa) nie zu füttern, um sie als Testkomponenten in der Hinterhand zu haben.
Die Ausschlussdiät: Der Goldstandard der Diagnose
Wenn andere Ursachen ausgeschlossen sind, ist die Ausschlussdiät (auch Eliminationsdiät genannt) der nächste Schritt. Das Ziel ist, das allergieauslösende Futterallergen zu identifizieren.
Das Prinzip: Das Tier erhält über einen Zeitraum von mindestens 8 bis 12 Wochen ausschließlich eine Proteinquelle und eine Kohlenhydratquelle, die es garantiert noch nie zuvor gefressen hat (z. B. Pferdefleisch und Süßkartoffel). In dieser Zeit sind alle anderen Leckerlis, Kauartikel oder Tischreste streng verboten, da schon kleinste Mengen die Diagnose verfälschen können.
Dr. Fritz beschreibt drei mögliche Varianten der Diät:
- Hausgemachte Ration: Die zuverlässigste Methode, da die Kontrolle über die Zutaten zu 100 % beim Halter liegt. Die Ration muss jedoch fachgerecht mit Ölen, Vitaminen und Mineralstoffen ergänzt werden, um Mangelerscheinungen zu vermeiden.
- Hydrolysierte Diät: Ein spezielles Diätfutter vom Tierarzt, bei dem die Proteine bereits so stark zerkleinert (hydrolysiert) sind, dass das Immunsystem sie nicht mehr als Allergen erkennt. Dies ist eine sehr gute Alternative zum Selberkochen.
- Kommerzielle Diät mit seltenen Zutaten: Ein Fertigfutter, das nur eine seltene Protein- und Kohlenhydratquelle enthält. Diese Option ist weniger sicher als die beiden anderen, da es bei der industriellen Produktion zu Verunreinigungen mit anderen Proteinen kommen kann.
Bessern sich die Symptome während der Diät deutlich, ist der Verdacht auf eine Futtermittelallergie bestätigt. Im Anschluss kann man durch gezielte Provokation mit einzelnen alten Futterkomponenten herausfinden, worauf das Tier genau reagiert.
Praktische Schritte zur Abklärung einer Futtermittelallergie
- Beobachten und dokumentieren: Führe ein Tagebuch über die Symptome deines Tieres. Wann treten sie auf? Wie stark sind sie? Gibt es einen Zusammenhang mit bestimmten Futtermitteln, Leckerlis oder Situationen (z. B. Stress)?
- Tierärztliche Untersuchung: Lass dein Tier gründlich untersuchen, um häufige Ursachen wie Parasiten (Würmer, Flöhe, Giardien) oder Hautinfektionen auszuschließen. Sprich auch das Thema Entwurmung an.
- Einfache Auslöser eliminieren: Setze für mindestens eine Woche alle Kauartikel (wie Rinderohren oder Ochsenziemer) ab. Vereinfache die Fütterung und vermeide häufige Wechsel, um den Darm zu entlasten.
- Ausschlussdiät planen: Wenn die Symptome bestehen bleiben, plane gemeinsam mit deiner Tierärztin oder einem Fachtierarzt für Tierernährung eine strikte Ausschlussdiät. Wählt eine Protein- und Kohlenhydratquelle, die dein Tier noch nie bekommen hat.
- Diät konsequent durchführen: Halte dich für 8 bis 12 Wochen streng an den Diätplan. Gib keine anderen Futtermittel, Leckerlis oder Kauartikel. Informiere auch Familie, Freunde und Nachbarn.
- Ergebnisse bewerten: Wenn sich die Symptome unter der Diät bessern, ist eine Futtermittelallergie sehr wahrscheinlich. Die erfolgreiche Diät-Ration kann dann - fachgerecht ergänzt - als Grundlage für die zukünftige Fütterung dienen.
In dieser Episode erwähnt
- Haufenhilfe: Ein von Dr. Fritz erwähntes Ergänzungsmittel mit Zellulosefasern, das helfen kann, die Kotkonsistenz bei weichem Kot zu verbessern.