Zusammengefasst von Anja Schirwinski
Seit meine Hündin Frida mit fünf Monaten aus einem rumänischen Shelter zu mir kam, beschäftige ich mich intensiv mit Hundethemen - von Alltagstraining bis Verhaltensbesonderheiten. Viele der Fragen, die in Podcasts besprochen werden, kenne ich aus unserer gemeinsamen Erfahrung nur zu gut. Deshalb fasse ich hier die für mich interessantesten Podcastfolgen zusammen und ergänze sie mit meinen eigenen Erlebnissen mit Frida.
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In dieser Episode des Podcasts "The Petfood Family" spricht Host Jan Dießner mit dem erfahrenen Hundetrainer Marc Eichstedt. Doch es ist kein gewöhnliches Fachgespräch - es ist ein tiefgründiger und emotionaler Abschied. Nach über 20 Jahren verlässt Marc die Hundewelt, um ein neues berufliches Kapitel aufzuschlagen.
Die beiden reflektieren über die Beweggründe für diesen Schritt, die persönliche und berufliche Entwicklung Marcs und die wichtigsten Erkenntnisse aus zwei Jahrzehnten Arbeit mit Hunden und Menschen. Im Zentrum steht die Leitfrage: Warum verlässt ein erfolgreicher und leidenschaftlicher Experte sein Feld nicht aus Frust, sondern aus einem Gefühl der Vollendung? Diese Episode bietet wertvolle Einblicke für alle, die vor beruflichen oder persönlichen Wendepunkten stehen und sich mit den Themen Veränderung, Erfüllung und Loslassen beschäftigen.
Das Wichtigste auf einen Blick
- Der Abschied ist eine bewusste Entscheidung: Marc beendet seine Karriere als Hundetrainer. Der Grund ist nicht Unzufriedenheit, sondern das Gefühl, das „Spiel durchgespielt“ und das „Buch zu Ende gelesen“ zu haben.
- Akzeptanz ist ein Schlüssel zur Harmonie: Eine der wichtigsten Lektionen aus seiner Laufbahn ist, dass das Akzeptieren der unveränderlichen Persönlichkeitsmerkmale eines Hundes oft zu mehr Entspannung und einer besseren Beziehung führt als der ständige Versuch, alles zu verändern.
- Weniger ist oft mehr: Marc beschreibt seine Entwicklung von einem anfangs übermotivierten Trainer, der Kunden mit Informationen überflutete, zu einem erfahrenen Coach, der heute gezielt und schrittweise arbeitet, um Mensch und Hund nicht zu überfordern.
- Selbstüberschätzung vermeiden: Ein guter Trainer muss seine eigenen Grenzen kennen. Marc betont, wie wichtig es ist, ein Netzwerk von Spezialisten (z. B. für Ernährung, Physiotherapie) aufzubauen und Klienten bei Bedarf dorthin zu verweisen.
- Das Ziel ist, sich überflüssig zu machen: Das höchste Ziel im Training ist für Marc, die Hundehalter so zu befähigen, dass sie ihn nicht mehr brauchen und selbstständig die richtigen Entscheidungen für ihren Hund treffen können.
- Veränderung braucht Mut und Planung: Die Entscheidung für einen beruflichen Neuanfang ist ein langer Prozess, der innere Gewissheit und eine gute Vorbereitung erfordert, um auch gegen äußeres Unverständnis bestehen zu können.
Der Entschluss: Warum ein Experte auf dem Höhepunkt aufhört
Marc erklärt, dass sein Entschluss, die Karriere als Hundetrainer zu beenden, über einen Zeitraum von drei bis vier Jahren gereift ist. Es sei keine impulsive Reaktion auf Frust oder Burnout. Vielmehr beschreibt er ein tiefes inneres Gefühl, dass er in diesem Berufsfeld alles erreicht und erlebt habe, was für ihn persönlich möglich war. Er vergleicht seine Karriere mit einem Buch, das er nun zu Ende gelesen hat, oder einem Spiel, dessen Level er alle gemeistert hat. Obwohl er, wie er betont, nach wie vor mit Leidenschaft bei der Arbeit ist, spürt er, dass es für ihn an der Zeit ist, ein neues Buch aufzuschlagen. Die Reaktionen aus seinem Umfeld, von Kollegen und Kunden, waren von Überraschung und teils Unverständnis geprägt, da sein Engagement bis zuletzt ungebrochen schien. Dennoch stießen seine Erklärungen letztlich auf Akzeptanz.
Eine 20-jährige Evolution: Vom Missionar zum Mentor
Rückblickend beschreibt Marc seine Anfänge als Hundetrainer als „übermotiviert“. Er sei mit einem fast missionarischen Eifer gestartet, habe 50 bis 60 Stunden pro Woche auf dem Hundeplatz gestanden und sogar fremde Menschen an der Ampel korrigieren wollen. Im Laufe der Jahre durchlief er eine tiefgreifende Entwicklung. Eine zentrale Erkenntnis war, dass „weniger mehr ist“. Während er früher dazu neigte, Kunden im Erstgespräch mit einer Fülle an Informationen und Aufgaben zu überfordern, lernte er, die Menschen dort abzuholen, wo sie stehen, und schrittweise vorzugehen. Sein Ziel als Trainer wandelte sich dahin, sich selbst so schnell wie möglich überflüssig zu machen, indem er die Halter zur Selbstständigkeit befähigt. Als entscheidenden Wendepunkt nennt er die Erfahrung mit seiner eigenen Hündin, durch die er lernte, dass die Akzeptanz der individuellen Persönlichkeit eines Hundes oft der direktere Weg zu einem entspannten Zusammenleben ist.
Die Komplexität des Hundes: Vom Spezialisten zum Generalisten
Marc vergleicht seine berufliche Entwicklung mit der eines Sportlers: vom „Weitspringer“, der sich auf eine Disziplin konzentriert, zum „Zehnkämpfer“, der ein breites Spektrum abdeckt. Er erkannte zunehmend, wie komplex das Lebewesen Hund ist und dass Verhalten nicht isoliert betrachtet werden kann. Themen wie der Bewegungsapparat, die Ernährung oder hormonelle Einflüsse rückten in seinen Fokus. Mit diesem erweiterten Blick lernte er aber auch, seine eigenen Grenzen ehrlich einzugestehen. Er bezeichnet sein Wissen in diesen angrenzenden Fachgebieten als „gefährliches Halbwissen“ - ausreichend, um Probleme zu erkennen, aber nicht, um sie professionell zu behandeln. Folgerichtig baute er ein solides Netzwerk aus Experten auf, an die er seine Kunden vertrauensvoll weiterverweisen konnte, um eine ganzheitliche Betreuung zu gewährleisten.
Die menschliche Verbindung: Loslassen, um Neues zu greifen
Das Gespräch zwischen Jan und Marc ist von einer tiefen persönlichen Verbindung geprägt, die sie selbst als enge Freundschaft definieren. Diese zeichnet sich durch Erwartungslosigkeit, Ehrlichkeit und die Fähigkeit aus, auch nach langer Zeit nahtlos anknüpfen zu können. Jan zieht Parallelen zu seiner eigenen, kurz zuvor getroffenen Entscheidung, keine Seminare mehr zu geben. Beide teilen die Erfahrung, wie herausfordernd die Kommunikation eines solchen Schrittes ist und wie die emotionalen Reaktionen des Umfelds einem erst den wahren Wert der eigenen Arbeit vor Augen führen. Jan bringt die Situation mit einem bildhaften Satz auf den Punkt, dem Marc voll zustimmt: „Wenn du dich mit beiden Händen an etwas festhältst, dann hast du keine Chance, etwas Neues zu greifen.“
Praktische Schritte für persönliche und berufliche Übergänge
Aus dem reflektierenden Gespräch lassen sich mehrere Prinzipien für die Gestaltung von Veränderungsprozessen ableiten:
- Höre auf wiederkehrende Signale: Nimm das Gefühl ernst, dass ein Lebensabschnitt zu Ende geht, selbst wenn die äußeren Umstände erfolgreich und die Leidenschaft noch vorhanden sind.
- Gib der Entscheidung Zeit zu reifen: Ein tiefgreifender Wandel ist keine Ad-hoc-Entscheidung. Prüfe über Monate oder sogar Jahre, ob der Wunsch nach Veränderung eine konstante innere Überzeugung ist.
- Suche den Dialog mit Vertrauten: Sprich mit engen Freunden oder Mentoren über deine Gedanken. Ihr Feedback kann helfen, die eigene Perspektive zu schärfen und die Entscheidung zu festigen.
- Plane den Übergang sorgfältig: Definiere einen klaren Endpunkt und kommuniziere diesen schrittweise. Eine durchdachte Vorgehensweise schafft Klarheit für dich und dein Umfeld.
- Kommuniziere authentisch: Erkläre deine Beweggründe offen und ehrlich. Eine schriftliche Mitteilung kann dir helfen, deine Gedanken zu ordnen, und gibt den Empfängern Zeit, die Nachricht zu verarbeiten.
- Bleibe in Bewegung: Stillstand ist Rückschritt. Wie beim Schwimmenlernen gilt es, sich immer weiterzubewegen, um nicht unterzugehen. Formuliere einen Plan für die Zeit nach dem Abschied, um eine klare Richtung zu haben.