Zusammengefasst von Anja Schirwinski
Seit meine Hündin Frida mit fünf Monaten aus einem rumänischen Shelter zu mir kam, beschäftige ich mich intensiv mit Hundethemen - von Alltagstraining bis Verhaltensbesonderheiten. Viele der Fragen, die in Podcasts besprochen werden, kenne ich aus unserer gemeinsamen Erfahrung nur zu gut. Deshalb fasse ich hier die für mich interessantesten Podcastfolgen zusammen und ergänze sie mit meinen eigenen Erlebnissen mit Frida.
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In dieser Episode des Podcasts „Sitz! Platz! Bleibt!“ diskutieren die Hosts Sami und Nicole ein zentrales Thema der Hundeerziehung: die Impulskontrolle. Anhand von Alltagsbeispielen und Analogien aus der Natur beleuchten sie den feinen, aber entscheidenden Unterschied zwischen echter Selbstbeherrschung und bloßem Belohnungsaufschub.
Die Episode richtet sich an alle Hundebesitzer:innen, die das Verhalten ihres Hundes besser verstehen und ihn zu einem selbstsicheren und kooperativen Partner erziehen möchten. Die zentrale Frage lautet: Wie können wir unseren Hunden beibringen, ihre Impulse eigenständig zu verwalten, anstatt sie nur von außen zu kontrollieren?
Das Wichtigste auf einen Blick
- Impulskontrolle vs. Belohnungsaufschub: Echte Impulskontrolle bedeutet, einen inneren Drang zu unterdrücken, ohne eine spätere Belohnung zu erwarten. Ein Hund, der nur wartet, um am Ende doch zum Reiz zu dürfen, übt lediglich einen Belohnungsaufschub.
- Das Ziel ist Selbstwirksamkeit: Das Training sollte darauf abzielen, dass der Hund lernt, sich selbst zu regulieren (interne Kontrolle), anstatt ständig auf die Anweisungen des Menschen angewiesen zu sein (externe Kontrolle).
- Inkonsistenz ist ein Problem: Wenn ein Hund für impulsives Verhalten in einer Situation gelobt wird (z. B. stürmische Begrüßung) und in einer anderen bestraft (z. B. Jagen), lernt er keine generelle Selbstbeherrschung.
- Kooperation statt Konfrontation: Ein Hund mit guter Impulskontrolle wird bei einem Reiz eher den Kontakt zu seinem Menschen suchen und nachfragen, wie er sich verhalten soll, anstatt blind loszustürmen.
- Frustrationstoleranz aufbauen: Hunde müssen lernen, dass sie nicht jedem Impuls nachgehen können und dürfen. Das Training muss auch beinhalten, dass ein Reiz manchmal einfach verschwindet, ohne dass der Hund ihn bekommt.
- Externe Korrekturen sind Lehrmomente: Wenn ein Mensch eingreifen muss, sollte dies ein klarer, lehrreicher Moment sein, der dem Hund eine Grenze aufzeigt und langfristig zur Selbstständigkeit führt - nicht ein dauerhaftes Management-Tool.
- Geduld und altersgerechtes Training: Impulskontrolle ist ein Entwicklungsprozess. Von einem acht Wochen alten Welpen kann noch keine perfekte Selbstbeherrschung erwartet werden; das Training muss schrittweise und fair aufgebaut werden.
Was ist Impulskontrolle - und was nicht?
Zu Beginn der Episode definiert Nicole Impulskontrolle als die Fähigkeit, einen von innen kommenden Impuls zurückzuhalten. Sie nennt das Beispiel ihres Hundes Carlo, der sich hinsetzt und wartet, anstatt ihren Mann anzuspringen, wenn dieser Käse aus dem Kühlschrank holt. Sami hakt sofort nach und führt die entscheidende Unterscheidung ein: Handelt es sich hier um echte Impulskontrolle oder um einen Belohnungsaufschub? Da Carlo erwartet, am Ende ein Stück Käse zu bekommen, ist sein Verhalten eher Letzteres. Er schiebt sein Bedürfnis nur auf, weil er eine Belohnung erwartet. Wahre Impulskontrolle, so erklärt Sami, wäre die Fähigkeit, den Impuls auch dann zu beherrschen, wenn keine Belohnung in Aussicht steht.
Die Rolle des Menschen: Vom externen Kontrolleur zum Partner
Sami vergleicht die Rolle des Menschen mit der seiner Frau im Auto: Wenn er sich über einen anderen Fahrer aufregt, ist ihre beruhigende Geste eine externe Regulation. Das langfristige Ziel ist jedoch, dass er diese Ruhe von sich aus findet - eine interne Kontrolle entwickelt. Genau das, so argumentiert er, sollten wir auch für unsere Hunde anstreben. Der Mensch soll nicht dauerhaft derjenige sein, der den Hund kontrolliert, sondern ihn dabei anleiten, seine Impulse selbstständig zu managen.
Als Analogie aus der Natur beschreibt er, wie Wolfseltern ihren Jungen beibringen, bei der Jagd still im Versteck zu warten. Ein junger Wolf, der dem Impuls nachgibt und vorzeitig aus dem Gebüsch stürmt, wird von den Elterntieren deutlich korrigiert. Diese externe Unterbrechung dient dazu, eine lebenswichtige Lektion zu vermitteln, damit der Jungwolf zukünftig aus eigenem Antrieb (intern) die richtige, strategische Entscheidung trifft.
Das Ziel: Selbstwirksamkeit und Kooperation fördern
Der Kern des Trainings sollte laut Sami die Förderung der Selbstwirksamkeit des Hundes sein. Ein Hund, der ständig von außen reguliert wird, entwickelt keine eigene Problemlösungskompetenz. Viele junge Hunde geraten in Stress, weil sie ihre Impulse nicht verwalten können und sich von einem Reiz zum nächsten hetzen.
Ein gut trainierter Hund lernt stattdessen, innezuhalten, einen Reiz zu beobachten, ihn zu bewerten und idealerweise in der Gemeinschaft - also mit seinem Menschen - abzugleichen, wie zu verfahren ist. Dieser kooperative Ansatz ist weitaus nachhaltiger als reiner Gehorsam. Wenn ein Hund von sich aus nachfragt, anstatt loszustürmen, ist eine externe Intervention wie ein Rückruf oft gar nicht mehr nötig. Dies führt zu einem entspannteren Zusammenleben, da der Mensch nicht ständig „auf der Hut“ sein muss.
Typische Trainingsfehler und ihre Folgen
Ein häufiger Fehler im Training besteht darin, Übungen zur Impulskontrolle fast immer mit einer Belohnung abzuschließen. Der Hund lernt dadurch nur, geduldig auf seine Belohnung zu warten. Bleibt diese aus, führt das zu hohem Frust, der sich in Übersprungshandlungen wie Anspringen oder Knabbern entladen kann. Hunde müssen auch lernen, zu akzeptieren, dass sie einem Impuls manchmal gar nicht folgen dürfen.
Ein weiteres Problem ist die mangelnde Konsequenz im Alltag. Sami kritisiert, dass Menschen impulsives Verhalten oft dann tolerieren, wenn es ihnen gefällt (z. B. der Hund begrüßt eine Freundin euphorisch), es aber in anderen Situationen (z. B. der Hund jagt einem Hasen nach) unterbinden. Für den Hund ist der grundlegende Mechanismus - „ich sehe etwas und reagiere sofort“ - jedoch derselbe. Um echte Impulskontrolle zu lehren, muss das Prinzip der Selbstbeherrschung generalisiert werden.
Praktische Schritte zur Förderung der Impulskontrolle
Die Episode liefert auch konkrete Ansätze für den Alltag. Hier sind die wichtigsten zusammengefasst:
- Positionen halten lassen: Beginne damit, deinen Hund zu bitten, eine einfache Position wie „Sitz“ für einen kurzen, altersgerechten Zeitraum zu halten. Beobachte seine Versuche, sich der Situation zu entziehen (z. B. durch Lecken, Knabbern, Hinlegen), und hilf ihm dabei, ruhig in der Position zu verweilen.
- Auf die finale Belohnung verzichten: Übe Zurückhaltung vor einem Reiz (z. B. einem Futterstück), ohne den Hund am Ende immer damit zu belohnen. Manchmal wird der Reiz einfach weggenommen. Der Hund lernt so, dass ein "Nein" endgültig sein kann.
- Konsequent bei Impulsivität sein: Erkenne impulsives Verhalten in allen Kontexten und setze überall die gleichen Maßstäbe an. Erlaube keine stürmischen Begrüßungen, wenn du gleichzeitig erwartest, dass dein Hund bei Wild ruhig bleibt.
- Kooperation aktiv fördern: Etabliere dich als sicheren Hafen und relevante Anlaufstelle. Belohne deinen Hund dafür, wenn er bei einem aufregenden Reiz Blickkontakt zu dir aufnimmt, anstatt sofort zu reagieren.
- Externe Korrekturen gezielt einsetzen: Wenn du eine impulsive Handlung unterbrechen musst, tu dies klar und verständlich. Das Ziel ist nicht Bestrafung, sondern ein Lehrmoment, der dem Hund hilft, es beim nächsten Mal selbst besser zu machen.