Parallelen und Grenzen zwischen Kindererziehung und Hundehaltung mit Katia Saalfrank

Zusammengefasst von Anja Schirwinski
Seit meine Hündin Frida mit fünf Monaten aus einem rumänischen Shelter zu mir kam, beschäftige ich mich intensiv mit Hundethemen - von Alltagstraining bis Verhaltensbesonderheiten. Viele der Fragen, die in Podcasts besprochen werden, kenne ich aus unserer gemeinsamen Erfahrung nur zu gut. Deshalb fasse ich hier die für mich interessantesten Podcastfolgen zusammen und ergänze sie mit meinen eigenen Erlebnissen mit Frida. 
Mehr über das Projekt Petcaster

In dieser Episode des Podcasts "Kunde Stunde" spricht Host und Hundetrainerin Conny Sporrer mit der renommierten Diplompädagogin, Autorin und als "Supernanny" bekannt gewordenen Katia Saalfrank. Als erfahrene Familienberaterin und zugleich Hundemama bietet Saalfrank einzigartige Einblicke in die Gemeinsamkeiten und fundamentalen Unterschiede zwischen der Erziehung von Kindern und der Haltung von Hunden.

Das zentrale Thema der Episode ist die Frage, inwieweit beziehungsorientierte Ansätze aus der Pädagogik auf die Mensch-Hund-Beziehung übertragbar sind. Die Diskussion beleuchtet, wie grundlegende emotionale Bedürfnisse, die richtige Art der Kommunikation und das Setzen von Grenzen das Zusammenleben prägen – sowohl in der Familie als auch im Rudel. Die Episode richtet sich an alle, die sich für die Psychologie hinter Erziehung und Beziehung interessieren, egal ob bei Zwei- oder Vierbeinern.

Das Wichtigste auf einen Blick

  • Das oberste Ziel unterscheidet sich fundamental: Conny Sporrer und Katia Saalfrank sind sich einig, dass Kinder zur größtmöglichen Selbstständigkeit begleitet werden, während Hunde so erzogen werden, dass sie in einer gesunden Abhängigkeit vom Menschen bleiben.
  • Verhalten ist nur die Spitze des Eisbergs: Katia Saalfrank erklärt anhand ihres Eisberg-Modells, dass sichtbares Verhalten (z.B. Wutausbrüche, Aggression) immer auf tieferliegenden Gefühlen (Angst, Trauer, Schmerz) und unerfüllten Bedürfnissen (Bindung, Autonomie, Sicherheit) basiert. Dies gilt für Kinder wie für Hunde.
  • Beziehung kommt vor Erziehung: Der Kern einer gesunden Entwicklung ist eine stabile und sichere Bindung. Anstatt Verhalten nur zu korrigieren oder zu konditionieren ("Erziehung"), sollte der Fokus darauf liegen, eine Verbindung herzustellen und die Bedürfnisse dahinter zu verstehen ("Beziehung").
  • Strafen schaden der emotionalen Entwicklung: Insbesondere bei Kindern erzeugt Strafe psychischen Druck, der im Gehirn wie körperlicher Schmerz verarbeitet wird. Dies kann dazu führen, dass Kinder den Zugang zu ihren eigenen Gefühlen und ihrer Empathiefähigkeit verlieren.
  • Kinder sind keine kleinen Hunde: Die kognitive Entwicklung eines Kindes ist weitaus komplexer und langwieriger. Fähigkeiten wie Antizipation, Abstraktion und Impulskontrolle entwickeln sich über viele Jahre. Daher sind Methoden aus dem Hundetraining nicht 1:1 übertragbar.
  • Signale ernst nehmen und richtig deuten: Ob ein Hund anstupst, weil er raus muss, oder ein Kind am Ärmel zupft - beides sind Kommunikationsversuche. Es ist entscheidend, diese Signale wahrzunehmen und situationsgerecht zu reagieren, anstatt sie pauschal zu ignorieren.
  • Ein Hund in der Familie ist eine bewusste Entscheidung: Ein Hund kann eine enorme Bereicherung sein, bedeutet aber auch eine große Verantwortung. Familien sollten laut Saalfrank genau prüfen, ob neben den Bedürfnissen der Kinder noch genügend Zeit, Energie und emotionaler Raum für ein Tier vorhanden sind.

Der grundlegende Vergleich: Kindererziehung vs. Hundehaltung

Zu Beginn diskutieren Conny Sporrer und Katia Saalfrank die grundlegenden Unterschiede und Gemeinsamkeiten. Saalfrank betont, dass der entscheidende Unterschied im Ziel liegt: „Wir begleiten Kinder mit dem Ziel, dass sie irgendwann die Welt selbst gestalten können. Und das ist bei Hunden anders.“ Während Kinder auf ein unabhängiges Leben vorbereitet werden, zielt die Hundeerziehung auf eine funktionierende, aber abhängige Beziehung ab. Trotzdem sieht Saalfrank klare Parallelen, da sowohl Menschen als auch Tiere Lebewesen mit ähnlichen emotionalen Grundbedürfnissen sind. Als Beispiel wird die kontroverse Frage diskutiert, ob ein Hund (oder Kind) im Bett schlafen darf. Für ein Kind, so Saalfrank, ist die Nähe zu den Eltern anfangs überlebenswichtig, während es beim Hund eher ein Privileg im Rahmen einer funktionierenden Beziehung ist.

Die zentrale Rolle von Beziehung und emotionalen Bedürfnissen

Katia Saalfrank stellt ihr zentrales Arbeitsinstrument vor: das Eisberg-Modell. Sie erklärt, dass das sichtbare Verhalten nur die Spitze des Eisbergs darstellt. Darunter, unter der Wasseroberfläche, liegen die eigentlichen Ursachen: Gefühle wie Wut, Angst, Trauer oder Schmerz, die wiederum aus drei psychischen Grundbedürfnissen entstehen:

  1. Bindung: Das Bedürfnis nach Verbindung und Zugehörigkeit.
  2. Autonomie: Das Bedürfnis, einen eigenen Raum zu haben und Entscheidungen treffen zu können.
  3. Sicherheit: Das wichtigste Bedürfnis, das Geborgenheit und Schutz umfasst.

Wenn diese Bedürfnisse nicht erfüllt werden, führt dies zu emotionalem Stress, der sich in problematischem Verhalten äußert. Saalfrank kritisiert, dass in der Gesellschaft oft nur das Verhalten an der Oberfläche "bekämpft" wird, anstatt die Ursachen zu verstehen. Conny Sporrer bestätigt, dass dies auch im Hundetraining ein häufiges Problem ist. Aggression bei Hunden beispielsweise sei oft ein Ausdruck von Unsicherheit, also einem Mangel an empfundener Sicherheit.

Grenzen, Strafen und die richtige Kommunikation

Ein wesentlicher Diskussionspunkt ist der Umgang mit Grenzen und Strafen. Conny Sporrer erklärt, dass im Hundetraining unter Umständen eine klare, auch körperliche Grenze (z. B. ein Schnauzgriff bei einem Welpen, der beißt) fairer sein kann als langes Diskutieren, um eine Regel für immer zu etablieren. Katia Saalfrank macht hier einen entscheidenden Unterschied zur Kindererziehung deutlich. Physische oder psychische Strafen wie Liebesentzug oder Ignoranz erzeugen bei Kindern einen Druck, den das Gehirn wie Schmerz verarbeitet. Um diesen Schmerz auszuhalten, schaltet das System die Verbindung zu den eigenen Emotionen ab. Die Folge, so Saalfrank, sei ein Verlust von Empathie und Selbsteinfühlung, was oft zu dem Satz „Mir hat es ja auch nicht geschadet“ führe. Stattdessen plädiert sie für eine klare, aber wertschätzende Führung, die dem Kind Verbindung anbietet, auch wenn sein Verhalten korrigiert werden muss.

Die Komplexität der kindlichen Entwicklung verstehen

Saalfrank betont wiederholt, dass die kognitiven Fähigkeiten von Kindern sich erst über viele Jahre entwickeln. Dazu gehören Antizipation (Folgen abschätzen), Assoziation (Zusammenhänge herstellen) und Abstraktion (von einer Situation auf eine andere schließen). Von einem kleinen Kind zu erwarten, dass es eine Regel nach einmaliger Erklärung versteht und immer anwendet, sei unrealistisch. Kinder seien oft von ihren Impulsen und Gefühlen überwältigt und bräuchten Erwachsene, die ihre Emotionen co-regulieren. Ein Kind zu ignorieren, das nach Aufmerksamkeit sucht, sei fatal, da es eigentlich nach Verbindung sucht. Saalfrank schlägt vor, die Verbindung anzuerkennen, z. B. durch eine Geste wie das Auflegen der Hand, und dem Kind zu signalisieren: „Ich habe dich gesehen, ich bin gleich für dich da.“ Dies zeige Wertschätzung, ohne die Gleichberechtigung eines Erwachsenen zu gewähren, da das Kind noch nicht die volle Verantwortung tragen kann.

Der Hund im Familienkontext: Eine bewusste Entscheidung

Abschließend reflektiert Katia Saalfrank, warum sie sich erst einen Hund angeschafft hat, nachdem ihre vier Söhne ausgezogen waren. Sie räumt ein, dass sie sich manchmal frage, ob sie es nicht früher hätte tun sollen, da ein Hund das Familienleben entschleunigen und bereichern kann. Gleichzeitig sei der Aufwand für die Beziehungsarbeit mit mehreren Kindern enorm, und ein Hund würde eine weitere „Seele“ bedeuten, die Zeit und Aufmerksamkeit benötigt. Ihre Empfehlung ist, diese Entscheidung sehr bewusst zu treffen. Ein Hund kann eine große Bereicherung sein, wenn alle Familienmitglieder dahinterstehen und der nötige Raum - zeitlich und emotional - vorhanden ist. Die Wahl der richtigen Rasse und eine gute Vorbereitung sind dabei unerlässlich.

Praktische Schritte für eine bessere Beziehung

  1. Verschiebe deinen Fokus: Konzentriere dich mehr auf die Beziehung ("Beiehung") als auf die reine Verhaltenskorrektur ("Erziehung"). Eine starke Bindung ist die Grundlage für alles Weitere.
  2. Schaue unter die Oberfläche: Wenn ein Kind oder Hund problematisches Verhalten zeigt, frage dich: "Welches Gefühl und welches unerfüllte Bedürfnis (Bindung, Autonomie, Sicherheit) könnten dahinterstecken?"
  3. Biete Verbindung statt Strafe an: Reagiere auf unerwünschtes Verhalten mit klarer Führung, aber ohne Demütigung oder Liebesentzug. Signalisiere bei Kindern immer, dass du sie wahrnimmst und die Verbindung bestehen bleibt.
  4. Passe die Umgebung an: Mache es deinem Kind oder Welpen leichter, sich richtig zu verhalten, indem du potenzielle Gefahren oder Konfliktpunkte (z. B. wertvolle Gegenstände in Reichweite) vorübergehend entfernst.
  5. Kommuniziere klar und situationsgerecht: Eine laute, ernste Stimme sollte für echte Notfälle reserviert sein, damit sie ihre Wirkung nicht verliert. Im Alltag sind Körpersprache und ein ruhiger Ton oft effektiver.
  6. Triff bewusste Entscheidungen: Überlege vor der Anschaffung eines Hundes genau, ob die Lebenssituation, die verfügbare Zeit und die emotionale Kapazität der Familie dies wirklich zulassen.

In dieser Episode erwähnt

Diese Zusammenfassung wurde mit Hilfe von KI aus dem Transkript der Podcast-Episode generiert.

Hinweis: Alle Inhalte auf Petcaster beruhen auf öffentlich zugänglichen Podcasts aus der Hunde- und Haustierwelt. Wir fassen die Episoden nach bestem Wissen zusammen, übernehmen jedoch keine Gewähr für Vollständigkeit, Aktualität oder Richtigkeit der Inhalte. Die Rechte an den Original-Podcasts und -Inhalten liegen ausschließlich bei den jeweiligen Urheber:innen.