Zusammengefasst von Anja Schirwinski
Seit meine Hündin Frida mit fünf Monaten aus einem rumänischen Shelter zu mir kam, beschäftige ich mich intensiv mit Hundethemen - von Alltagstraining bis Verhaltensbesonderheiten. Viele der Fragen, die in Podcasts besprochen werden, kenne ich aus unserer gemeinsamen Erfahrung nur zu gut. Deshalb fasse ich hier die für mich interessantesten Podcastfolgen zusammen und ergänze sie mit meinen eigenen Erlebnissen mit Frida.
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In dieser Episode des Podcasts „Sitzplatz bleibt“ diskutieren die Hosts Nicole und Sami die entscheidende Frage, welches Hundealter am besten zu angehenden Halter:innen passt. Anlass ist die bevorstehende Ankunft eines Welpen bei Nicole. Die beiden erörtern die spezifischen Herausforderungen und Vorteile, die mit einem Welpen, einem Junghund oder einem bereits erwachsenen Hund - oft aus dem Tierschutz - verbunden sind.
Die zentrale Leitfrage der Episode lautet: Wie kannst du eine fundierte Entscheidung treffen, die sowohl zu deinem Lebensstil als auch zu den Bedürfnissen des Hundes passt? Die Folge richtet sich an alle, die über die Anschaffung eines Hundes nachdenken, und bietet eine ehrliche Auseinandersetzung mit den Realitäten, die jede Altersstufe mit sich bringt.
Das Wichtigste auf einen Blick
- Welpen sind ein Überraschungspaket: Ihre endgültige Persönlichkeit ist noch nicht absehbar. Die Aufzucht erfordert extrem viel Zeit, Management und Geduld, besonders in den Bereichen Stubenreinheit, Sozialisierung und dem Setzen von Grenzen.
- Erwachsene Hunde bieten mehr Klarheit: Ihr Charakter, ihre Verträglichkeit und ihr Verhalten sind bereits gefestigt. Das erleichtert die Einschätzung, ob der Hund zum eigenen Leben passt. Allerdings bringen sie oft eine unbekannte Vorgeschichte mit.
- Die Eingewöhnungsphase ist entscheidend: Einem neuen Hund, besonders aus dem Tierschutz, sollte man nicht durch übermäßige Nachsicht einen Freifahrtschein ausstellen. Laut Sami ist es besser, ihn aktiv zu begleiten und von Anfang an klare Strukturen zu vermitteln, anstatt ihn sich selbst zu überlassen.
- Verhaltensweisen können sich verzögert zeigen: Insbesondere bei Hunden aus dem Tierschutz treten manche Herausforderungen erst nach einer Eingewöhnungszeit von vier bis sechs Wochen auf, wenn der Hund sich sicher genug fühlt, um sein wahres Wesen zu zeigen.
- Jeder Hund kann unvorhersehbares Verhalten zeigen: Zerstörungswut oder Trennungsangst sind nicht auf ein bestimmtes Alter oder eine Herkunft beschränkt. Sowohl Welpen als auch erwachsene Hunde können überraschende Verhaltensweisen entwickeln.
- Professionelle Hilfe ist ein wertvolles Werkzeug: Sami empfiehlt, bereits vor der Anschaffung eines Hundes eine:n Trainer:in für ein Beratungsgespräch zu konsultieren, um eine fundierte Entscheidung zu treffen und potenzielle Probleme frühzeitig zu erkennen.
Der Welpe - Ein unbeschriebenes Blatt mit hohem Aufwand
Die Entscheidung für einen Welpen bedeutet, ein Lebewesen von Beginn an zu prägen. Sami betont jedoch, dass dies eine immense Herausforderung darstellt. Ein Welpe ist ein „kleines Überraschungspaket“, dessen Persönlichkeit sich erst noch entwickeln muss. Frühe Einschätzungstests ab der sechsten Woche können zwar erste Hinweise geben, aber Umwelteinflüsse und die Erziehung durch den Menschen spielen eine entscheidende Rolle für die weitere Entwicklung.
Die Hosts beschreiben den Alltag mit einem Welpen als sehr anstrengend. Themen wie Stubenreinheit, ein angepasster Schlaf-Wach-Rhythmus und die ständige Notwendigkeit der Aufsicht (z.B. wegen angenagter Kabel) fordern viel Energie. Gleichzeitig muss die Sozialisierung sorgfältig gesteuert werden: Der Welpe sollte Wichtiges kennenlernen, darf aber nicht mit Reizen überflutet werden. Nicole, die bald selbst einen Welpen aufnimmt, zeigt sich besonders gespannt, wie ihre beiden erwachsenen Hunde, Carlo und Sherlock, auf den Neuankömmling reagieren werden. Sie erwartet, dass insbesondere Sherlock den Welpen anfangs als „Zwangsvergemeinschaftung“ empfinden wird.
Der erwachsene Hund - Mehr Vorhersehbarkeit, aber mit Geschichte
Die Entscheidung für einen erwachsenen Hund, sei es aus dem Tierheim, dem Auslandstierschutz oder von privat, bietet den Vorteil, dass Charakter und grundlegende Verhaltensweisen bereits ausgeprägt sind. Sami erklärt, dass man leichter einschätzen kann, wie der Hund auf Menschen, andere Tiere oder Umweltreize wie Autos und Fahrradfahrer reagiert. Dies ermöglicht eine bessere Abwägung, ob der Hund zur eigenen Lebenssituation passt.
Allerdings bringen diese Hunde oft eine Vorgeschichte mit. Themen wie Ressourcenverteidigung bei Futter, die aus echtem Hunger resultieren kann, oder andere tief sitzende Verhaltensweisen können eine Herausforderung darstellen. Eine ehrliche Kommunikation seitens der abgebenden Stelle ist hier entscheidend. Selbst wenn ein Hund eine „kleine Agenda“ hat, wie Sami es nennt (z.B. frühere Aggressions- oder Jagdvorfälle), gibt es Hilfsmittel wie einen Maulkorb, die eine sichere Integration ermöglichen.
Die Eingewöhnungsphase: Ankommen lassen, aber mit Führung
Ein weitverbreitetes Missverständnis, insbesondere im Tierschutz, ist die Idee des „Ankommenlassens“. Nicole wirft die Frage auf, ob viele Halter:innen in den ersten Wochen zu viel durchgehen lassen, was später zu Problemen führt. Sami widerspricht der Vorstellung, den Hund einfach sich selbst zu überlassen. Er vergleicht die Situation mit der Begrüßung eines guten Freundes in einer neuen Wohnung: Man zeigt ihm alles Wichtige (Wo ist die Toilette? Wo der Kühlschrank?) und schafft so eine Basis für Sicherheit und Orientierung.
Auf den Hund übertragen bedeutet das: Der Mensch sollte präsent sein, den Hund aktiv durch die neue Umgebung führen und von Beginn an klare Regeln und Strukturen etablieren. Dies schafft Vertrauen und verhindert, dass der Hund nach der oft zitierten Eingewöhnungszeit von vier bis sechs Wochen „aufmacht“ und unerwünschte Verhaltensweisen etabliert hat. Die erste Zeit sollte genutzt werden, um sich gegenseitig kennenzulernen und eine positive Beziehung aufzubauen.
Unvorhergesehene Herausforderungen und der Umgang damit
Sowohl Nicole als auch Sami teilen persönliche Anekdoten, die verdeutlichen, dass kein Hund vollständig planbar ist. Sami berichtet von seinem ersten Hund, einem Field Spaniel, der unter extremer Trennungsangst litt und Türen zerkratzte. Nicole erzählt, wie ihr Hund Sherlock als Welpe ein „kleiner Terrorist“ war und sie fast aus der gemeinsamen Wohnung ausziehen musste. Auch erwachsene Hunde aus dem Tierschutz können, wie bei Freunden der beiden geschehen, plötzlich anfangen, Dinge zu zerstören.
Die zentrale Botschaft ist, dass solche Verhaltensweisen bei jedem Hund auftreten können, unabhängig von Alter oder Herkunft. Manchmal ist es Neugier, manchmal Stress oder auch einfach nur Spaß am Ausprobieren. Die Hosts betonen die Wichtigkeit von Management (wertvolle Schuhe oder Kabel außer Reichweite bringen) und einer guten Portion Humor. Es gibt keine pauschale Antwort – die Entscheidung für ein bestimmtes Hundealter hängt immer von den individuellen Lebensumständen ab.
Praktische Schritte zur Entscheidungsfindung
- Selbstreflexion: Analysiere ehrlich deine Lebensumstände, Zeitressourcen, Erfahrung und Geduld. Wie viel Unsicherheit und Aufwand kannst und willst du bewältigen? Ein Welpe erfordert maximale Flexibilität, ein erwachsener Hund möglicherweise spezifisches Training.
- Umfeld prüfen: Berücksichtige deine Wohnsituation, Familie und eventuell bereits vorhandene Haustiere. Wie wird sich ein neuer Hund in die bestehende Dynamik einfügen? Nicole macht sich bewusst Gedanken, wie sie ihren Hund Sherlock bei der Integration des Welpen unterstützen kann.
- Informationen einholen: Sprich offen mit Züchter:innen, Tierheimen oder Tierschutzorganisationen. Sei ehrlich über deine Fähigkeiten und fordere ebenso ehrliche Auskünfte über den Hund.
- Professionelle Beratung nutzen: Ziehe ein Erstgespräch mit einer Hundetrainerin oder einem Hundetrainer vor der Anschaffung in Betracht. Diese können helfen, deine Situation objektiv einzuschätzen und dich bei der Auswahl zu unterstützen.
- Vorbereitung auf die Ankunft: Schaffe von Anfang an klare Strukturen und sichere Räume. „Ankommen lassen“ bedeutet, dem Hund Führung und Sicherheit zu geben, nicht, ihn sich selbst zu überlassen.
- Realistische Erwartungen haben: Sei dir bewusst, dass jeder Hund ein Individuum ist. Plane für Unvorhergesehenes, sei bereit, dich auf Herausforderungen einzulassen, und bewahre dir deinen Humor.