Zusammengefasst von Anja Schirwinski
Seit meine Hündin Frida mit fünf Monaten aus einem rumänischen Shelter zu mir kam, beschäftige ich mich intensiv mit Hundethemen - von Alltagstraining bis Verhaltensbesonderheiten. Viele der Fragen, die in Podcasts besprochen werden, kenne ich aus unserer gemeinsamen Erfahrung nur zu gut. Deshalb fasse ich hier die für mich interessantesten Podcastfolgen zusammen und ergänze sie mit meinen eigenen Erlebnissen mit Frida.
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In dieser Episode des Podcasts napfcheck spricht die Fachtierärztin für Tierernährung, Dr. Julia Fritz, mit der Journalistin Manuela Bauer über Epilepsie bei Hunden und Katzen, eine der häufigsten neurologischen Erkrankungen. Der Fokus liegt darauf, wie eine angepasste Ernährung die medikamentöse Therapie wirkungsvoll unterstützen und in manchen Fällen sogar zum „Gamechanger“ werden kann.
Die Episode richtet sich an Tierhalter, deren Tiere von Epilepsie betroffen sind. Sie beleuchtet die Herausforderungen der Erkrankung, die Grenzen der reinen Medikamentenbehandlung und beantwortet die zentrale Frage: Welche Rolle spielt die Fütterung bei der Kontrolle von Krampfanfällen und wie kann man sie gezielt optimieren, um die Lebensqualität des Tieres zu verbessern?
Das Wichtigste auf einen Blick
- MCT-Öl als zentraler Baustein: Mittelkettige Fettsäuren (MCTs), insbesondere C8- und C10-Fettsäuren aus Kokos- oder Palmkernöl, sind der wichtigste ernährungstherapeutische Ansatz. Sie fördern die Bildung von Ketonkörpern, die dem Gehirn als alternative Energiequelle dienen und Anfälle reduzieren können.
- Medikamentengabe optimieren: Das gängige Medikament Phenobarbital sollte immer auf nüchternen Magen verabreicht werden, idealerweise eine Stunde vor der Fütterung, um einen stabilen Wirkspiegel zu gewährleisten.
- Konsistenz ist der Schlüssel: Plötzliche Futterwechsel und unregelmäßige Medikamentengabe können den Medikamentenspiegel im Blut beeinflussen und Anfälle auslösen. Absolute Regelmäßigkeit bei Fütterungs- und Medikamentenzeiten ist entscheidend.
- Ernährung unterstützt, ersetzt aber nicht: Dr. Fritz betont, dass eine angepasste Ernährung die medikamentöse Therapie ergänzt, aber niemals ersetzt. Die Zusammenarbeit mit dem Tierarzt oder Neurologen ist unerlässlich.
- Spezielle Diäten für Sonderformen: Bei der Laphora-Krankheit ist eine kohlenhydratarme Diät sinnvoll. Bei der Paroxysmalen Dyskinesie kann eine strikt glutenfreie Ernährung die Anfälle stoppen.
- Sinnvolle Nahrungsergänzungen: Neben MCT-Öl können Omega-3-Fettsäuren (aus Fisch- oder Algenöl), Taurin und ein B-Vitamin-Komplex das Nervensystem zusätzlich unterstützen.
- Achtung bei Kaliumbromid: Die Wirksamkeit des Medikaments Kaliumbromid hängt vom Chlorid- bzw. Salzgehalt im Futter ab. Eine hohe und schwankende Salzzufuhr (auch durch Leckerlis wie Hüttenkäse) sollte vermieden werden.
Was ist Epilepsie und wie wird sie diagnostiziert?
Dr. Fritz beschreibt einen epileptischen Anfall als ein „Nervengewitter“ – eine plötzliche, unkontrollierte elektrische Übererregung im Gehirn, die zu Krämpfen, Bewusstseinsveränderungen und vegetativen Symptomen wie Speicheln oder Kotabsatz führt. Sie erklärt, dass die medizinische Zielsetzung nicht immer die komplette Anfallsfreiheit ist; bereits ein Anfall alle drei Monate gilt als gute Kontrolle. Die Diagnose unterscheidet hauptsächlich drei Formen:
- Reaktive Anfälle: Ausgelöst durch externe Faktoren wie Vergiftungen. Tritt oft bei sehr jungen Tieren auf.
- Idiopathische Epilepsie: Die häufigste Form (ca. 80 %), bei der keine strukturelle Ursache im Gehirn gefunden wird. Eine genetische Veranlagung wird vermutet. Sie tritt typischerweise bei Tieren zwischen sechs Monaten und sechs Jahren auf.
- Strukturelle Epilepsie: Verursacht durch nachweisbare Veränderungen im Gehirn, wie Tumore, Zysten oder Vernarbungen durch Traumata. Diese Form tritt häufiger bei älteren Tieren auf.
Dr. Fritz stellt klar, dass die grundlegenden Ernährungsprinzipien für die idiopathische und die strukturelle Epilepsie identisch sind.
Die Rolle der Ernährung: Mythen und Fakten
Viele Tierhalter haben Angst, durch die Fütterung Anfälle zu begünstigen. Dr. Fritz entkräftet gängige Mythen, wie die Behauptung, dass Kohlenhydrate oder Bierhefe pauschal Anfälle auslösen. Sie erklärt, dass es keine wissenschaftlichen Belege dafür gibt, dass ein normales, nicht-giftiges Futtermittel einen Anfall provozieren kann. Der Ursprung des Kohlenhydrat-Mythos liegt vermutlich in der ketogenen Diät, bei der Kohlenhydrate gezielt weggelassen werden.
Das größte „No-Go“ ist laut Dr. Fritz nicht ein bestimmtes Futter, sondern das eigenmächtige Absetzen oder Anpassen von Medikamenten ohne tierärztliche Absprache. Die schulmedizinische Behandlung steht an erster Stelle und darf nicht durch alternative Methoden oder eine alleinige Futterumstellung ersetzt werden.
Ketogene Diät und die Wirkung von MCT-Öl
Der wichtigste ernährungswissenschaftliche Ansatz bei Epilepsie stammt aus der Humanmedizin: die ketogene Diät. Diese sehr fett- und proteinreiche, aber kohlenhydratfreie Ernährung zwingt den Körper, sogenannte Ketonkörper zu produzieren. Diese dienen dem Gehirn als alternative Energiequelle zu Glukose und haben nachweislich eine anfallsreduzierende Wirkung.
Dr. Fritz erklärt jedoch, dass bei Hunden eine streng ketogene Diät nicht zwingend notwendig ist. Eine elegantere Methode ist die gezielte Gabe von mittelkettigen Fettsäuren (MCT-Öl). Diese speziellen Fette, die hauptsächlich in Kokos- und Palmkernöl vorkommen, werden vom Körper direkt zur Leber transportiert und dort zwangsläufig in Ketonkörper umgewandelt - unabhängig davon, ob die restliche Nahrung Kohlenhydrate enthält. Besonders wirksam sind die Fettsäuren C8 (Kaprülsäure) und C10 (Kaprinsäure). MCT-Öl kann entweder als Zusatz zur bestehenden Ration gegeben oder als Bestandteil eines speziellen Fertigfutters verabreicht werden.
Sonderformen der Epilepsie und ihre spezifischen Diätansätze
Während bei der idiopathischen Epilepsie Kohlenhydrate keine direkte Rolle spielen, gibt es zwei Sonderformen, bei denen die Diät entscheidend ist:
- Laphora-Krankheit: Hierbei handelt es sich um eine genetisch bedingte Stoffwechselstörung, bei der sich abnorme Glykogen-Verbindungen (eine Speicherform von Kohlenhydraten) im Nervensystem ablagern. Dr. Fritz empfiehlt für betroffene Hunde (z. B. Basset Hound, Beagle) eine strikt kohlenhydratarme, also quasi ketogene Ernährung, um die Bildung dieser schädlichen Ablagerungen zu minimieren.
- Paroxysmale Dyskinesie: Diese Bewegungsstörung, die unter anderem beim Border Terrier auftritt, ist mit einer Glutenunverträglichkeit assoziiert. Die Anfälle, bei denen die Tiere bei vollem Bewusstsein bleiben, können durch eine konsequent glutenfreie Ernährung oft vollständig kontrolliert werden.
Medikamente und Fütterung: Ein sensibles Zusammenspiel
Dr. Fritz hebt hervor, wie wichtig das Management der Medikamente in Verbindung mit der Fütterung ist. Das Ziel ist ein konstanter Wirkspiegel des Medikaments im Blut über 24 Stunden, um die Anfallsschwelle dauerhaft zu erhöhen. Jede Schwankung kann einen Anfall auslösen.
- Phenobarbital: Dieses häufig eingesetzte Medikament wird im Magen-Darm-Trakt schlechter aufgenommen, wenn es zusammen mit Futter gegeben wird. Es sollte daher strikt nüchtern, etwa eine Stunde vor der Mahlzeit, verabreicht werden.
- Kaliumbromid: Die Ausscheidung dieses Medikaments über die Nieren konkurriert mit Chlorid (Salz). Eine hohe Salzzufuhr im Futter oder durch Leckerlis führt dazu, dass mehr Bromid ausgeschieden wird, der Wirkspiegel sinkt und potenziell eine höhere Medikamentendosis nötig wird. Eine gleichmäßige und nicht zu hohe Salzzufuhr ist daher wichtig.
Heißhunger und Gewichtszunahme sind häufige Nebenwirkungen der Medikamente. Hier können Faserstoffe wie Flohsamenschalen oder Zellulose das Sättigungsgefühl erhöhen. Bei nächtlichen Hungerattacken kann ein zeitgesteuerter Futterautomat helfen, den Schlaf des Besitzers zu sichern.
Praktische Schritte zur Fütterungsoptimierung
- Konsultiere deinen Tierarzt: Besprich jede geplante Futterumstellung oder die Gabe von Nahrungsergänzungsmitteln mit dem behandelnden Tierarzt oder Neurologen.
- Integriere MCT-Öl: Füge ein hochwertiges MCT-Öl (mit C8- und C10-Fettsäuren) schrittweise zur Fütterung hinzu oder steige auf ein Fertigfutter um, das diese bereits enthält.
- Optimiere die Medikamentengabe: Verabreiche Phenobarbital konsequent eine Stunde vor dem Futter. Halte dich exakt an die 12-Stunden-Intervalle.
- Achte auf Regelmäßigkeit: Vermeide abrupte Futterwechsel. Füttere immer zur gleichen Zeit, um den Stoffwechsel und die Medikamentenspiegel stabil zu halten.
- Plane die Zeitumstellung: Beginne etwa eine Woche vor der offiziellen Zeitumstellung und verschiebe die Fütterungs- und Medikamentenzeiten schrittweise alle zwei Tage um 15 Minuten.
- Ergänze sinnvoll: Füge Omega-3-Fettsäuren (aus Algen- oder Fischöl, nicht Leinöl) und einen B-Vitamin-Komplex hinzu, um das Nervensystem zu unterstützen.
- Kontrolliere die Leckerlis: Achte bei Hunden, die Kaliumbromid erhalten, auf den Salzgehalt von Leckerlis und Kauartikeln, um Schwankungen im Medikamentenspiegel zu vermeiden.